Die Schwäne werden fett: Was man bei einer Park-Führung mit Rangern lernt

2022-10-26 14:32:19 By : Ms. Anne Wong

Zwei Rangerinnen kümmern sich im Volkspark Friedrichshain um die Tiere. Man kann sie auf Führungen begleiten – ein ganz besonderer Ausflug mitten in Berlin.

Anmutig schaukeln schwarze Blesshühner auf den drei tortengroßen künstlichen Inseln im Großen Teich. Zufrieden blicken Kristina Roth und Janet Huber auf die Tiere. Hat sich gelohnt, die Anschaffung der Nisthilfen, befinden sie. Die Senatsverwaltung für Umwelt fördert das Projekt „Stadtnaturranger“. Die Rangerinnen kümmern sich darum, dass es die Viecher im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg gut haben. Auch überall im 49 Hektar großen Volkspark Friedrichshain.

Weil die Blesshühner ihre Nachkommenschaft bisher auf den Tonnen des Springbrunnens aufzogen – und damit den Sprudel-Betrieb stoppten –, haben die Naturschützerinnen die schwimmenden Alternativen kreiert. Was ihnen jetzt noch Sorgen macht: das Schwanenpaar. Mit zusammengekniffenen Augen fixiert Janet Huber die kleine Insel inmitten des Großen Sees. Da leuchtet etwas Oval-Weißes in Tennisballgröße. „Haben die etwa schon wieder ein Ei gelegt?“, fragt Janet Huber, 31, ihre Kollegin.

So nett es auch wäre: Nachwuchs ist bei den Schwänen im mit über 170 Jahren ältesten Park Berlins problematisch. Janet Huber, studierte Biologin und Naturschützerin, sagt: „Die Bäume um den Teich sind zu hoch. Da schaffen es die jungen Schwäne, nachdem sie auf dem Wasser Anlauf genommen haben, nicht drüber.“ Also bleiben die Nachkommen im Revier der Eltern, Überbevölkerung ist programmiert.

Ein weiteres Problem im Zusammenhang mit den Schwänen: die Parkbesucher. Kristina Roth, 51, runzelt die Stirn und sagt: „Die füttern die Wasservögel.“ Zu fett sind die Schwäne deshalb, „die haben schon Knochendeformationen, die Flügel stehen zu hoch“. Janet Huber ergänzt: „Zu viele Kohlenhydrate.“ Völlig ausreichend sei die vorhandene Nahrung wie Wasserpflanzen, Insekten, Schnecken, Mikroorganismen.

Jüngst wurden „Nicht füttern!“-Schilder am Zaun um den Teich angebracht, die zeigen Wirkung. Und die freundliche, aber direkte Ansprache von Besuchern ebenso, davon sind die bei der Stiftung Naturschutz angestellten Rangerinnen überzeugt. „Wir wollen die Parknutzer aufklären, wie sie sich bei ihrem Besuch naturschützend verhalten“, erläutert Janet Huber. Und diese Aufklärung gehört zu den Aufgaben, die die Rangerinnen seit rund zwei Jahren montags bis freitags haben.

Zusammen mit Roth, die als Wildnis-Pädagogin und Stadtnaturführerin ausgebildet ist, bemüht sich Huber  bei regelmäßigen Führungen, den Parkkosmos verständlich zu machen.

Richtig aufregend wird das immer bei der Fledermaustour, die nächste findet am 8. September statt. Am Großen Bunkerberg wohnen etliche Fledermäuse in Baumhöhlen, gleich neben dem Spielplatz an der Friedenstraße. „Aber auch in den umliegenden Wohnhäusern leben viele hinter Dachrinnen, in Fassadenspalten oder unterm Dachgiebel“, berichtet Kristina Roth. Tagsüber schlafen die Tiere, in der Dämmerung kommen sie heraus. „Die Fledermäuse kreisen dann über dem Großen Teich und jagen ihre Mahlzeiten, das sind Mücken und Nachfalter. Ihnen zuzusehen ist ein seltener schöner Anblick.“

Wann kann man Tiere beobachten, ohne sie zu vertreiben? Antworten auf Fragen wie diese verraten die Rangerinnen in ihrem Flyer „Erlebnispfad Stadtnatur“. Die Anleitung zum 90-minütigen Spaziergang liegt unentgeltlich im Café Schönbrunn, im Sommerhaus KaffeeBar und im Café Neuer Hain aus. Verraten wird im Flyer beispielsweise auch, wie sich Kaffee aus Eicheln machen lässt (trocknen, hacken, rösten) und dass Platanen, die ihre Rinde abwerfen, nicht krank sind, sondern einen Wachstumsschub haben.

Beim Rundgang durch den Park zeigen sich auch sinnvolle Varianten von Fürsorge der Besucher für die Tiere. In der hüfthohen Astgabelung eines Ahorns steht eine große Plastikschale mit Wasser. Hier hat jemand etwas verstanden, merken die Rangerinnen an. „Im Park gibt es zu wenig offene Wasserstellen, und die Vögel brauchen Trinkwasser.“ Schließlich regnet es seit Jahren viel zu selten, unter der Trockenheit leiden nicht nur die Pflanzen. „Oft sehen wir Krähen, die mit offenen Schnäbeln unterwegs sind. So regulieren sie ihren Temperaturhaushalt.“

Ärgerlich ist hingegen die Unart mancher Party-Feierer, ihre Pizza- und Grillreste sorgfältig in Mülltüten zu sammeln und diese dann neben den bereits vollen Papierkörbe zu platzieren. „Montagsmorgens sieht es oft aus wie Kraut und Rüben“, sagt Janet Huber. Noch verstärkt wird die Unordnung durch Waschbären und Krähen, die sich auf die Mülltüten stürzen und sie auf der Suche nach Essbarem auseinanderpflücken.

Jäh wird der geruhsame Spaziergang durch lautes Knurren und Bellen unterbrochen. Kristina Roths Schäferhund-Mischling Onchu geht in die Knie, würde sich zu gern anschleichen. Er fixiert ein Eichhörnchen-Baby auf dem Weg. Verschreckt läuft es weg, rutscht auf der Flucht an einer glatten Platane herunter, flieht weiter.

„Wäre Onchu nicht an der Leine, hätte er es schnell gepackt und getötet“, sagt Kristina Roth ernst, während sie den an der Leine zerrenden Hund beruhigt. Zwanzig Meter weiter radelt ein Mann vorbei, daneben läuft frei sein Jagdhund. Opfer von Hunden sind immer wieder auch Igel und Enten, die totgebissen werden. Am besten machen sich Hunde im Park eben angeleint. Oder in Stein gehauen als Dekoration am Märchenbrunnen.

Für die nächste Führung (14. August von 16 bis 18 Uhr) muss man sich anmelden, ebenso für Vorträge und Sprechstunden. Infos unter  Tel. (030) 263 940 und www.stiftung-naturschutz.de