Der tägliche Kampf gegen Plastikberge - Waiblingen - Zeitungsverlag Waiblingen

2022-10-26 14:35:16 By : Ms. liping wang

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Waiblingen. Shampoo, Cremetigel und Nudeltüten, Bohnendosen, Milchtüten und Orangensaft-Tetrapacks: Tag für Tag, Woche für Woche füllt der Plastikmüll unsere Gelbe Tonne wie von Geisterhand. Gleichzeitig mehren sich verstörende Bilder müllverseuchter Meere und Strände. Das schlechte Gewissen drückt. Zu Recht. Auf Plastik ganz zu verzichten, erscheint mir illusorisch, nicht aber, unseren Plastikkonsum zu reduzieren. Ein Selbstversuch.

Die gute Nachricht zuerst: Plastiktüten sind bei uns tabu. Ich trinke keinen Coffee to go und verdrücke kein styroporverpacktes Fast Food. Überhaupt kaue ich nicht im Gehen, sondern liebe es, aufwendig zu kochen und an einem schön gedeckten Tisch zu essen. Allerdings liebe ich es weit weniger, aufwendig einzukaufen - und damit bin ich mitten drin im Problem.

Kurz im Supermarkt vorbeifahren und den Einkaufswagen mit allem vollladen, was eine Familie im Alltag so braucht, das schafft Verpackungsmüll ohne Ende. Von den Alblinsen bis zur eingeschweißten Zahnbürste: Es scheint fast nichts zu geben, was nicht verpackt ist – oft gleich mehrfach.

Immerhin gibt es die Frischetheken in den großen Supermärkten. Sahne und Milch in Glasflaschen und ein immer größer werdendes Angebot von offenem Obst und Gemüse. Weit schlimmer sind die Discounter. Auch wenn Aldi und Lidl angekündigt haben, ihre Verpackungen zu reduzieren: Noch gibt es dort Champignons in sperrigen Blisterverpackungen, drei Lauchstangen in Pappe und Plastik eingewickelt, Käsescheiben auf Styropor und in Plastik verschweißt, Putenschnitzel und Hühnerbrustfilet in riesigen Blisterschalen luftdicht verpackt: Nach einem Einkauf bei Lidl und Co füllt sich die Gelbe Tonne im Nu.

Fleisch habe ich in den vergangenen Jahren nur in Ausnahmefällen im Discounter gekauft, und wenn, dann höchstens Biofleisch - des Tierschutzes wegen. Nun ist ganz Schluss damit. Also auch wenn es teurer ist: auf in den Gemüseladen, rein zum Metzger unseres Vertrauens, ab in den Edelsupermarkt oder am besten gleich auf den Wochenmarkt.

Dass dieses Vorhaben nicht immer ganz einfach umzusetzen ist, merke ich schnell. Wer nach 18 Uhr einkaufen will, steht bei unserem Metzger und dem Gemüseladen vor verschlossener Tür. Die beiden Discounter auf meinem Nachhauseweg dagegen haben verführerischerweise bis 21 Uhr beziehungsweise sogar bis 22 Uhr geöffnet. Konsequent zu bleiben, ich bekenne es, fällt mir schon in der ersten Woche schwer.

Zumal zu den Sachen auf meiner neuen roten Liste auch besonders lieb gewonnene Produkte stehen. Die französische Meersalzbutter etwa, die überflüssigerweise in einem Plastikbecher steckt, wird zugunsten aluverpackter Butter gestrichen und selbst gesalzen. Auf die sinnlos mehrfach verpackten Kekse verzichten wir ganz, bei der Hautcreme wird nach einem weniger aufwendig verpackten Produkt gesucht.

Die Anfänge sind gemacht. Trotzdem bin ich in Sachen Plastikmüllverzicht noch das reine Weichei. Wer’s wirklich ernst meint, verzichtet nämlich auch auf Shampoo-Flaschen, Haushaltsreiniger, Deo und Duschgel und sogar auf Zahnpasta. Für all das gibt es in ausgesuchten Geschäften und online Alternativen wie Haarseife, Lavaerde und Zahnpulver. Zudem gibt es in Großstädten Bio-Supermärkte und Unverpackt-Läden, in denen man sich alles in Mehrwegbehälter füllen lassen kann. Leider nicht hier. Wobei ich zugebe: Reinigungslotion und Zahnpasta selbst mischen ist nicht mein Ding. Eine fein riechende Seife statt Duschgel oder Flüssigseife zu benutzen, dagegen spricht aber eigentlich nichts. Ersetzt wird schnell auch das Mineralwasser. Die Kästen mit den Mehrwegflaschen mit viel Blubber weichen einem Soda-Streamer, der uns auf der Stelle überzeugt.

Trotzdem oder gerade deshalb merke ich: Wer Verpackungsmüll sparen will, kann und muss noch weit mehr tun. Denn auch beim Metzger und an der Frischetheke im Supermarkt wird kräftig verpackt. Ob hier mitgebrachte Tupperdosen die Lösung sind, wird der Selbstversuch noch weisen. Sind die dünnen Plastiktüten, in denen ich meine Pilze und Tomaten nun abwiegen lasse, vertretbar oder nicht? Was ist mit den Mülltüten im Abfalleimer, was mit der Plastikverpackung, in der ich meine Klopapierrollen nach Hause trage? Bevor der Selbstversuch zu Hysterie wird, erinnere ich mich an mein selbst gestecktes Ziel, die Plastikverpackungen in unserem Haushalt zu reduzieren – nicht aber gänzlich zu verbannen.

Schwer genug ist das, wie die 212,5 Kilogramm Verpackungsmüll zeigen, die jeder Deutsche dem Bundesumweltministerium zufolge im Jahr produziert. Zwei Drittel davon entfallen auf Verpackungen von Nahrungsmitteln und Getränken. 311 Millionen Tonnen Plastik werden jährlich produziert. Acht Millionen Tonnen davon gelangen ins Meer. 37 Kilo Plastikmüll gehen statistisch auf das Konto eines jeden Deutschen. Damit liegen wir sechs Kilo über dem Durchschnitt der EU. Nur ein geringer Teil davon wird recycelt, das meiste in Müllverbrennungsanlagen verbrannt. Es lohnt sich also, die Sache ernst zu nehmen und das Thema weiterzuverfolgen. Teurer, komplizierter, aufwendiger wird der Einkauf wohl werden. Ob das stimmt? Und wie das Einkaufen mit mitgebrachten Tupperschüsseln im Alltag funktionieren wird? Fragen über Fragen. Der Selbstversuch geht weiter.

Vertragspartner der Abfallwirtschaft Rems Murr für die Gelbe Tonne ist die Firma Remondis aus Freiberg. Remondis stellt die Tonnen zur Verfügung, sammelt das Material ein und transportiert es im Auftrag des Dualen Systems Deutschland (DSD) zu den Sortieranlagen. Derzeit geht das Material in die Anlagen vom Suez in Bruchsal, Meilo in Gernsheim, Alba in Walldürn, Merb in Kehl, WRZ Hörger in Sontheim. Dort wird das Material sortiert und zusammen mit Material aus anderen Landkreisen für die Weiterverarbeitung vorbereitet. Die anschließende Weiterverarbeitung liegt beim Dualen System Deutschland.

An dieser Stelle verschwindet die Spur im Dunkeln. Eine Anfrage beim Recycling-Kontor Köln, das für die Entsorgung des Mülls der Gelben Tonnen im Rems-Murr-Kreis zuständig ist, blieb trotz mehrmaliger Nachfrage bis Redaktionsschluss unbeantwortet. Laut Bundesumweltministerium wird aber nur die Hälfte recycelt. Der Rest wird ganz einfach verbrannt.